Gehen die Uhren in Siebenbürgen anders?

“Nein, nicht direkt,” erklärt Philipp Harfmann, Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen: “Aber es gibt in Siebenbürgen besondere Herausforderungen, denen man sich stellen muss, um zu verhindern, dass sie auf Dauer gar nicht mehr gehen.” Mit der Lösung dieser Aufgabe befasst sich seit vergangenem Jahr ein Experte aus der Bundesrepublik Deutschland.

Ein Uhrmachermeister aus Heidelberg, dem siebenbürgische Kirchturmuhren seit über zwanzig Jahren vertraut sind, kümmert sich seit dem Jahr 2022 im Auftrag der Stiftung Kirchenburgen um einzelne, besonders interessante Exemplare. Zuletzt standen Holzmengen, Kleinschenk, Leschkirch, Trappold und vor allem Scharosch bei Fogarasch auf der Auftragsliste des Fachmannes.

Uhrwerk in Holzmengen

Uhr-Ahnen

Weil die wenigsten der in Siebenbürgen installierten Uhrwerke datiert sind, kann das Baujahr meist nur geschätzt werden. Anhand der Technik und der Herstellungsmethode ist es allerdings möglich, das Alter ungefähr zu bestimmen. Scharosch bei Fogarsch ist eine Ausnahme. Komponenten der Apparatur sind mit der Signatur “Carl Devai in Schäßburg” und mit der Jahreszahl “1843” versehen. Nach einer dreiwöchigen fachgerechten Intervention ist die Uhr der Jakobuskirche nun wieder in Schuss. Zuletzt war die Uhr vor vierzig Jahren repariert worden.

Eine besonders alte Uhr konnte der Heidelberger Uhrmacher etwa in Holzmengen (um 1700) identifizieren. Die Uhren der Kirchenburgenlandschaft zeichnen sich durch einen eigenen Stil aus, der sich von jenen in westlicheren Gegenden Europas unterscheidet. So waren zum Beispiel handgeschmiedete Uhrwerke Mitte des 19. Jahrhunderts hierzulande noch üblich, während in den meisten Gegenden Westeuropas bereits industriell gefertigte Uhren eingebaut wurden.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Kirchturmuhr in Leschkirch

In den meisten Gemeinden besteht das Problem, dass niemand gefunden oder auch gesucht wurde, der sich um die regelmäßige Wartung kümmert. Automatisierungslösungen scheinen naheliegend zu sein, doch bringen diese wiederum neue Probleme mit sich: Einerseits stellt sich die Frage, ob man den alten, meist handgeschmiedeten Mechanismus wirklich zugunsten einer modernen Lösung beeinträchtigen möchte. Um den Respekt vor der originalen Substanz zu wahren, gibt es zwar reversible Modelle, doch diese sind in aller Regel besonders teuer. Selbst wenn man bereit ist, viel Geld in eine Automatisierung zu investieren, muss die Uhr – samt motorisierter Erweiterung – dann trotzdem regelmäßig gewartet werden.

In Leschkirch wurde das Problem perfekt gelöst: Die Pfadfindergruppe, die im dortigen Pfarrhaus das Nocrich-Scout-Center betreibt, kümmert sich regelmäßig um die aus dem späten 19. Jahrhundert stammende Uhr, die aus der Werkstatt des Thüringer Uhrmachers Johann Ignaz Fuchs stammt und als sehr selten gilt. Dies ist ganz im Sinn des 2022 von der Stiftung Kirchenburgen gestarteten Uhrenprogrammes, erklärt Philipp Harfmann: “Die Uhr am evangelischen Kirchturm ist in den meisten Dörfern genau jenes Element, das die heutige Mehrheitsbevölkerung im Dorf mit der Kirchenburg verbindet. Wer sieht nicht ab und zu auf die Uhr? – Wo immer es uns möglich ist, wollen wir die Uhr nun zunächst reparieren und gangbar machen, um sie dann anschließend für möglichst viele Jahre in Betrieb zu halten. Dieses neue Programm der Stiftung wurde in der Anfangsphase aus Mitteln der Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) finanziert. Ab sofort werden wir mit Spenden weiterarbeiten.”

Wer mithelfen möchte, dass die Uhren in der Kirchenburgenlandschaft künftig nicht mehr nur zögernd schlagen, kann über eine Spende für das Uhrenprogramm dazu beitragen.

Text und Bilder: Stefan Bichler