Durch kaum eine andere Region Europas wird der Choral Martin Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ architektonisch so versinnbildlicht wie durch die im südlichen Siebenbürgen gelegene Kirchenburgenlandschaft. Hier entstanden vom Beginn der Einwanderung der Siebenbürger Sachsen am Ende des 12. Jahrhunderts zahlreiche befestigte Kirchenburgen, von denen noch rund 160 erhalten sind.
Mit ihren Verteidigungsanlagen, beeindruckender Sakralarchitektur und einer reichen Ausstattung bilden die Kirchenburgen pittoresk wirkende ländliche Gesamtkunstwerke. Sie prägen die siebenbürgische Kulturlandschaft, in der seit Jahrhunderten Rumänen, Ungarn, Deutsche und Roma neben- und miteinander leben. Die Kirchenburgen zeugen von einem besonderen Kapitel europäischer Geschichte und stehen stellvertretend für die lange, pluriethnisch geprägte Tradition dieses Landstriches.
Bauphasen am Beispiel Schönberg/Dealu Frumos
Romanische, dreischiffige Basilika mit Holz-Erde-Befestigung (1.Hälfte 13.Jh.)
Romanische Basilika mit erhöhtem Westturm (13.Jh.)
Kirche mit zwei Türmen, erhöhtem Wehrgeschoss und ovalem Bering (Ende 13. und Anfang 14.Jh.)
Kirchenburg mit gemauertem, rechteckigem Bering, Torturm und Wehrtürmen (15. Jh.)
Kirchenburg mit komplexen Wehranlagen (Ende 15. und 16.Jh.)
Der Verteidigung der neuen Siedlungen wurde spätestens seit dem Mongolensturm (1241–1242) besondere Bedeutung beigemessen. Anfänglich legte man Burgen in Höhenlagen an, später wurden die dörflichen Kirchen mit Gräben, Wällen und Palisadenzäunen befestigt. Diese ersetzte man nach den ersten osmanischen Einfällen zu Beginn des 15. Jahrhunderts durch aufgemauerte, mit Wehrtürmen versehene Ringmauern, den Beringen. Im Burginneren entstanden Fruchthäuser und Vorratskammern, die in Belagerungszeiten auch den Dorfbewohnern Zuflucht boten. Mit Ausnahme des Burzenlandes wurden meistens auch die Kirchenbauten selbst befestigt: Zwischen den Kirchenschiffen und Dachstühlen entstanden Wehrgeschosse, die zunächst in Fachwerk ausgeführt und später auf Strebepfeilern lagernden, sogenannten Wehrbögen massiv aufgemauert wurden. Im Kokelgebiet und im Harbachtal erhielten auch die Chorräume turmartige Überbauungen, die, wie auch die verstärkten Westtürme, Wehrgänge erhielten. Die Hauptportale wurden vermauert, die Kirchen erhielten stattdessen Seitenpforten.
Mit dem Einkehren friedlicherer Zeiten zu Beginn des 18. Jahrhunderts verloren die Befestigungen ihre Funktion. Im 19. Jahrhundert wurden die Verteidigungsanlagen an einigen Kirchen zurückgebaut. Eine Reihe von Kirchenburgen verlor ihre Beringe, wobei die Wehrtürme häufig als Zeichen der Tradition und einstigen Wehrhaftigkeit erhalten blieben. Das Abbruchmaterial fand Verwendung im Bau von Schulen, Pfarr- oder Gemeindehäusern.