(Hermannstadt, Februar 2022)
Stiftung Kirchenburgen (SKB): Historische Gebäude spielen in Ihrem Portfolio seit Beginn Ihrer Tätigkeit im Bereich der Architektur eine wichtige Rolle. Können Sie uns sagen, woher diese Leidenschaft kommt?
Tudor Pavelescu (TP): Ja, das ist richtig. Der größte Teil unserer Arbeit entfällt derzeit auf den Bereich der historischen Gebäude. Einer der Gründe, warum ich die Genehmigung zur Arbeit an historischen Denkmälern erhalten wollte, war die Möglichkeit, mit traditionellen Bautechniken zu experimentieren und einen erfahrungsbasierten Ansatz für architektonisches Design zu entwickeln. Eingriffe in historische Gebäude erfordern einen gewissen Anstand und eine gewisse Selbstverständlichkeit, die ich in der zeitgenössischen Architektur für unerlässlich halte. Daher ist das Kulturerbe für uns ein gutes Lernumfeld.
Es ist außerdem hilfreich, dass ich Deutsch spreche und manchmal sind die Kunden in der Region auch deutschsprachig, was die Zusammenarbeit bei der Festlegung von architektonischen Ambitionen auf beiden Seiten erleichtert.
SKB: Die Kirchenburgen Siebenbürgens haben unter Ihren Projekten eine besondere Rolle gespielt. Wie sind sie in den Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit gerückt?
TP: Mein Interesse an diesen historischen Gebäuden begann, als ich mit dem Architekten Dr. Hermann Fabini zusammenarbeitete. Zu dieser Zeit arbeiteten wir bereits an Projekten für Bodendorf und Rosenau, und ein großer Teil unseres Projekts wurde auch in Schellenberg umgesetzt. Wir standen also lange Zeit in engem Kontakt mit den Kirchenburgen. Unser Interesse am siebenbürgisch-sächsischen Erbe wird vor allem durch die Möglichkeit genährt, historische mittelalterliche Strukturen zu studieren. Die Maßnahmen zur Sicherung von Kirchenburgen umfassen nicht nur routinemäßige Reparaturen, sondern auch die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Fachleuten, die sich mit der hölzernen Dachkonstruktion, der Verkleidung und den dekorativen Steinelementen befassen.
So arbeiten wir seit etwa drei Jahren mit der Stiftung Kirchenburgen zusammen. Wir haben mit verschiedenen Arbeiten im Rahmen des Dächerprogramms begonnen, unter denen ich die Intervention in Reussen erwähne, die erste, die im Büro durchgeführt wurde und eines der bekanntesten Gebäude dieser Art in der Gegend von Sibiu ist. Die Intervention in Irmesch, eine Kirche deren Besonderheit die Wandmalerei ist, die unter der Putzschicht entdeckt wurde und die Intervention in Braller, das größte Ensemble, das im Rahmen des Programms im Büro bearbeitet wurde.
Gleichzeitig haben wir, ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Stiftung, ein Pilotprojekt zur Nutzungserweiterung der Kirchenburg von Kirtsch gestartet und seit diesem Jahr die Architekturprojekte von Hundertbücheln und Henndorf übernommen, angepasst und fertiggestellt.
SKB: Was bedeutet Nutzungserweiterung?
TP: Es geht darum, die Nutzung bestehender historischer Gebäude zu erweitern. In allen drei Fällen geht es darum, die Gebäude für Übernachtungszwecke einzurichten. Das Hauptziel besteht darin, denkmalgeschützte Gebäude zu reaktivieren und ihre Lebensdauer zu verlängern, indem man ihnen eine neue Funktion gibt, falls die frühere Funktion nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Nach der Abwanderung der Sachsen aus Siebenbürgen wurden die Kirchenburgen allmählich von Gotteshäusern zu Touristenattraktionen umgewandelt, was sich jedoch nicht auf die verschiedenen Nebengebäude innerhalb der Befestigungsanlagen erstreckte. Das Programm der Nutzungserweiterung ergänzt den touristischen Charakter der Ensembles durch minimale, kontextsensitive Veränderungen, die in Übereinstimmung mit der zeitgenössischen Restaurierungstheorie durchgeführt werden, mit dem Ziel, einen Grad an Komfort zu ermöglichen, der ein vorübergehendes Wohnen in den Ensembles erlaubt.
Besonders wichtig ist es, stets die ursprüngliche Struktur des Gebäudes zu respektieren und – wie ein Kollege sagte – den „Respekt vor dem Neuen im Alten“ zu einer Grundregel zu machen. Im Falle der Intervention in Kirtsch zum Beispiel, dem ersten Projekt dieser Art an dem wir gearbeitet haben, bestand unsere Absicht darin das Bild der historischen Fassade innerhalb der Festungsmauer zu erhalten indem wir alle Funktionen innerhalb der drei bestehenden Gebäude auflösten. Als sich herausstellte, dass dies nicht ohne gewisse Kompromisse möglich war, richtete sich unser Augenmerk auf eine neue Außenkonstruktion, die die Begrenzung der bestehenden Fassade und dem Gesims des Nachbargebäudes respektiert und sich durch ihr fragmentarisches Bild im Gegensatz zur typischen Wandarchitektur des Ensembles definiert. Die Intervention im Hundertbücheln ist ein Beispiel dafür, dass die neue Funktion ausschließlich in dem Gebäude gelöst werden kann, an dem die Intervention vorgenommen wird – in diesem Fall dem Nordturm. Hier konzentriert sich der architektonische Vorschlag darauf, die Volumetrie des Raumes und die Wahrnehmung des Raumes im Inneren nicht zu verändern. Henndorf ist ein besonderer Fall, bei dem alle vier Anbauten der Festung verändert werden.
SKB: Wie viele Personen im Team sind in Kirtsch, Henndorf und Hundertbücheln beschäftigt?
TP: Alle! Das gesamte Team ist sehr daran interessiert. Derzeit sind wir sieben Personen, mich eingeschlossen. Die Strategie, wie wir im Büro an Projekte herangehen, hat sich mit dem Wachsen des Teams geändert, und wir befinden uns derzeit im Übergang von der Arbeit an einzelnen Projekten zur Kombination der Fähigkeiten und Stärken jedes Einzelnen von uns, um integriert und durchgängig an Projekten unterschiedlicher Komplexität zu arbeiten. Genau diese Methode ermöglicht es uns, Großprojekte wie den Henndorf-Komplex in Angriff zu nehmen, und es sind diese Art von Projekten, die uns als Team zusammengeführt haben. Wir sind davon überzeugt, dass unsere persönliche und berufliche Vielfalt ein Vorteil ist.
SKB: In welchem Stadium befinden sich diese drei Projekte derzeit?
TP: Alle unterschiedlich. In Kirtsch haben wir früher begonnen, deshalb sind die Fortschritte dort deutlicher zu erkennen. In Hundertbücheln arbeiten wir zu zweit, und in Henndorf sind wir ein größeres Team, weil es dort mehrere Gebäude gibt.
Das architektonische Projekt in Kirtsch ist bereits für die Genehmigung bei der Nationalen Kommission für Denkmalschutz eingereicht und wir hoffen, diese im März zu erhalten.
Die Projekte in Hundertbücheln und Henndorf, die unser Büro nach einer früheren Zusammenarbeit der Stiftung mit einem anderen Architekturbüro übernommen hat, werden an unser Wertesystem für die Wiederverwendung historischer Denkmäler angepasst. Diese werden ebenfalls im Februar oder März an die Kommission übergeben.
Die Anpassung war relativ einfach, durchlief aber unsere eigenen architektonischen und technischen Filter, die das „Gesicht“ des Projekts in gewissem Maße verändern. Der direkte und ständige Kontakt des Büros mit der Realität dieser Art von architektonischen Denkmälern ermöglichte es uns, einen Vorschlag zu unterbreiten, der näher an den notwendigen Merkmalen des Eingriffs liegt – selbst wenn es sich um das Konsolidierungssystem oder die Art der Anordnung der Wohneinheit handelt. Und hier kann ich die strukturellen Probleme in Hundertbücheln erwähnen, die sogar mehrmals analysiert und überdacht werden mussten. Wenn alle optimalen Lösungen gefunden sind, ist der nächste natürliche Schritt die Stellungnahme der Nationalen Denkmalkommission, die hoffentlich so bald wie möglich eingeholt wird. Wir wollen das gesetzte Ziel erreichen: die Rettung und Renovierung der Gebäude der beiden Ensembles.
SKB: Wann rechnen Sie damit, dass diese Projekte in die Umsetzungsphase eintreten werden?
TP: Mit Ausnahme der befestigten Kirche von Hundertbücheln sind Kirtsch und Henndorf historische Denkmäler der Kategorie A, für die eine Genehmigung bei der nationalen Denkmalkommission eingeholt werden muss. Es hängt also – nach den politischen Veränderungen in Bukarest – auch viel davon ab, wann die Kommissionen gebildet wird und wer wann unterschreibt. Wir können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau vorhersagen, wie lange dieser Prozess dauern wird. Aber wir hoffen sehr, dass wir im Frühjahr mit den Bauarbeiten in Kirtsch beginnen können und dann spätestens im Herbst mit den anderen beiden Standorten.
SKB: Und wie sieht der Zeitplan danach aus? Wann wird das Projekt abgeschlossen sein?
TP: Wenn die Gebäude restauriert werden, könnte man sagen, dass die Arbeiten unter rein architektonischen Gesichtspunkten abgeschlossen sind. Aber bei einem Projekt dieser Art ist es erst dann wirklich fertig, wenn jedes Gebäude seine ersten Gäste empfängt und voll funktionsfähig ist. Bis dahin sind neben dem Architekten viele weitere Personen beteiligt, insbesondere das Team der Stiftung Kirchenburgen, das parallel an der Kommunikationsstrategie des Projekts sowie an der Entwicklung des Betriebs- und Geschäftsmodells arbeitet, die bei diesem komplexen Projekt alle die gleiche Aufmerksamkeit erfordern.
SKB: Wie sind die Aussichten für eine zukünftige Zusammenarbeit mit der Stiftung Kirchenburgen und der EKR?
TP: Unser gesamtes Team ist an zukünftigen Projekten in diesem Bereich sehr interessiert! Immerhin handelt es sich um Gebäude von großem historischem Wert. Wir freuen uns sehr, dass wir mit unseren Projekten ein Vorbild für andere Architekten sein können. Die Stiftung ist ein wichtiger Auftraggeber für uns, denn die Mitarbeiter dort wissen um die Verantwortung, die ein Architekt trägt, und es ist ihnen wichtig, dass alles korrekt ausgeführt wird und den internationalen Standards für die Restaurierung und Erhaltung historischer Bauwerke entspricht.
SKB: Lieber Tudor, alles Gute und herzlichen Dank für das Gespräch!
Tudor Pavelescu ist 37 Jahre alt und kommt aus Hermannstadt. Hier leitet er das Architekturbüro Modul 28. Bei seiner Arbeit an historischen Gebäuden wird er stark von seiner langjährigen Ausbildung bei Dr. arh Hermann Fabini beeinflusst. Er hatte die Möglichkeit Auslandserfahrung in Deutschland, England, Italien, Spanien und der Türkei zu sammeln.
Interview und Fotos: Stefan Bichler / Modul 28