Eines der wichtigsten Tätigkeitssegmente der Stiftung Kirchenburgen der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) stellt das Dächerprogramm dar. Im Rahmen dieser Initiative konnten auch im ablaufenden Jahr 2022 wieder wichtige und rettende Interventionen an den Kirchenburgen durchgeführt werden.
Nachdem der Deutsche Bundestag vor vier Jahren beschlossen hatte, der Stiftung Kirchenburgen über die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) 1,1 Millionen Euro zur Sicherung und Sanierung der Kirchenburgen zur Verfügung zu stellen, ging eine regelrechte Welle an Baustellen durch die Kirchenburgenlandschaft: Im Dächerprogramm der Stiftung Kirchenburgen werden nicht nur die Dächer im engeren Sinn, sondern auch Mauern und nicht zuletzt Wasserableitungssysteme rund um die Gebäude neu instandgesetzt.
Gemeisterte Probleme in Irmesch und Marienburg bei Schässburg
Im Schässburger Kirchenbezirk standen mit Irmesch und Marienburg bei Schässburg zwei Projekte auf der Agenda der Denkmalpfleger. Nachdem in Marienburg bereits im vergangenen Jahr Sicherungsarbeiten durchgeführt worden waren, wurde 2022 das Dach gerettet. Die Umsetzung dieser Arbeiten gestaltete sich verhältnismäßig kompliziert, weil der gesamte Dachstuhl im Laufe der Jahre in eine deutliche Schieflage geraten war. An verschiedenen Rissen im Mauerwerk der Kirche ist ablesbar, dass das Gebäude – verschärft durch die baulichen Übergänge unterschiedlicher Bauetappen – grundsätzliche statische Probleme hat. Durch die Rückführung von gelockerten Elemente und Stabilisierungseingriffe an jenen Stellen, wo eine Wiederherstellung des Originalzustandes nicht mehr möglich war, konnte das Dach schließlich repariert werden. So wurde auch der Standort des Blasebalges der Orgel gesichert, der sich im Dach oberhalb des Chores befindet.
Mehr als 30.000 Euro wurden in Irmesch investiert, um das Kirchendach zu sanieren. Dort ergab sich eine besondere Herausforderung dadurch, dass eine Öffnung der Decke im Kirchenschiff erforderlich war, um einen sehr schadhaften Dachbalken zu bearbeiten. Trotz der schwierigen Situation konnte dieser Eingriff umgesetzt werden, ohne dabei die Fresko-Fragmente in der unmittelbaren Nähe zu beeinträchtigen. Des Weiteren wurde nun die Regenwasserableitung an der Irmescher Kirchenburg gesichert, indem Steinrinnen um die Kirche angelegt und Durchlasslöcher an der Wehrmauer eingerichtet wurden. Für letzteres war eine laufende Begleitung der Arbeiten durch archäologische Sachverständige aus Neumarkt am Mieresch vonnöten. Auch der Glockenturm ist wieder mit ruhigerem Gewissen begehbar. An den schadhaften Stellen wurde der Fußboden ausgebessert und eine Balustrade angebracht wurde.
In Martinsdorf (Kirchenbezirk Mediasch) wurden ebenfalls wichtige Arbeiten erledigt. Durch die Umsetzung von zum Teil aufwendigen Zimmermannsarbeiten ist das Dach vorerst gesichert. Alte, angefaulte Balken, Latten und Dachziegel konnten innerhalb weniger Wochen im September getauscht beziehungsweise wiederinstandgesetzt werden. Darüber hinaus konnte die Stiftung Kirchenburgen dem Bezirkskonsistorium eine komplette Bauplanung übergeben, die die Grundlage für weitere erforderliche Eingriffe ist.
Dächer und Mauern schützen wertvolles Inventar
An der wertvollen Südostbastei von Braller wurde das Dach im Rahmen des Dächerprogramms einer kompletten Instandsetzung unterzogen. Dadurch wurde der erste wichtige Schritt zur Rettung der gesamten Konstruktion getan, was vor allem auch wegen der am Putz der Speckkammern vorhandenen seltenen Fragmente alter Inschriften dringen geboten ist.
Besonders bemerkenswert ist auch die aus dem frühen 18. Jahrhundert stammende Kassettendecke der evangelischen Kirche von Langenthal. Um sie künftig besser zu schützen, wurde dort in diesem Jahr erstmals eine Verschalung des Aufbodens durchgeführt. So bleibt die Decke vor eindringendem Staub oder einsickernder Feuchtigkeit geschützt. Außerdem bietet dieser neue Boden eine erhebliche Erleichterung für künftige Wartungsarbeiten am Kirchendach. Diese Arbeiten wurden vom renommierten Holzrestaurator Mihály Ferenc überwacht und begleitet.
In Bussd bei Mühlbach konnte aus denkmalpflegerischer Sicht ein weiterer Etappensieg im Kampf gegen Vogelkot errungen werden: Durch das Schließen von Öffnungen ist nun dafür gesorgt, dass die gefiederten Gäste nicht mehr in den Innenbereich eindringen können. Des Weiteren wurde am Westgiebel der Kirche die stark beschädigte Anschlussstelle der Dachdeckung repariert. Schließlich wurde im Kirchenbezirk Mühlbach auch das wertvolle Kirchgebäude von Weingartskirchen nachhaltigen Sanierungsarbeiten unterzogen. Durch Sicherungsarbeiten wurde die Sakristei gerettet und durch das Anlegen eines neuen Wartungsganges am Dachstuhl wird dort in Zukunft das Wechseln schadhaft gewordener Dachziegel leichter möglich sein.
Auch wenn das Kalenderjahr sich dem Ende entgegen neigt, ist das Arbeitsjahr 2022 für das Bauteam der Stiftung Kirchenburgen noch lange nicht vorüber. Bereits jetzt wird an das kommende Jahr gedacht. So soll etwa noch vor dem Jahreswechsel die Planung für bauliche Maßnahmen in Scharosch bei Fogarasch abgeschlossen werden, damit die für das kommende Frühjahr vorgesehenen Steinmetzarbeiten rechtzeitig ausgeschrieben werden können.
Würdigung der Arbeit der Stiftung Kirchenburgen
Viele der durchzuführenden Arbeiten gestalten sich durch den Mangel an qualifizierten Unternehmen gerade auf den Dörfern zunehmend schwierig. Auch die gestiegenen Preise für Baumaterialien und Transport bereiten den Denkmalpflegern der Stiftung Kopfzerbrechen. Umso größer war die Freude, als bekannt wurde, dass die Initiative Dächerprogramm der Stiftung Kirchenburgen und des betreuenden Architekten Tudor Pavelescu (Modul 28) in diesem Jahr für den Preis der Architekturbiennale arhitectura.6 nominiert wurde. Die Veranstalter, die Rumänische Architektenkammer, würdigen die besten Projekte der letzten zwei Jahre aus den Kreisen Kronstadt, Kovasna, Harghita, Neumarkt, Hermannstadt und Valcea. Eine Ausstellung zu allen Nominierungen wird jeweils einige Tage lang in den sechs Kreishauptstädten präsentiert.
Text und Bilder: Stefan Bichler