Welchen Beitrag können mögliche Nutzungserweiterungen von Kirchenburgen zum Erhalt der kirchlichen Baudenkmäler Siebenbürgens leisten? Wo liegen die Tabus? Was können Privatinitiativen, Heimatortsgemeinschaften (HOG), die Stiftung Kirchenburgen und kirchliche Gremien dazu beitragen, mehr Stakeholder als bisher für die Denkmalpfelge zu gewinnen? – Mit diesen Fragen und mehr haben sich die Teilnehmer des ersten Online-KirchenburgenGesprächs am 11. März 2021 beschäftigt.
In vielen Staaten vor allem Westeuropas wurden Kirchengebäude, die nicht mehr sakral genutzt werden, für alternative Nutzungszwecke umgestaltet. Bibliotheken, Konzertsäle, Begegnungszentren aber auch gastronomische Betriebe und vieles andere mehr haben Einzug gehalten, wo früher Gottesdienste gefeiert wurden. All diese Nutzungsvarianten wurden bisher für die Gotteshäuser der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) kaum oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Dafür gab und gibt es mannigfaltige Gründe. Während der Vorbereitungen auf ein internationales Symposium der Volkswagenstiftung zum Thema „Kirchenumnutzung. Neue Perspektiven im europäischen Vergleich“, an welchem die Stiftung Kirchenburgen Mitte Februar 2021 beteiligt war, entstand die Idee für das KirchenburgenGespräch. Die Mitarbeiter des Stiftungsteams sahen es als Anlass, die entsprechende siebenbürgische Situation mit dem einschlägigen Publikum zu erörtern.
Ob und wie eine Nutzungserweiterung in der siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft künftig trotz der bisherigen Skepsis interessant sein kann, darüber diskutierten am 11. März Ruth István (Stiftung Kirchenburgen), Annemarie Rothe (Architektin aus Berlin), Katharina Stefani (HOG Abtsdorf/M.) und Thomas Schneider (HOG Holzmengen). Die Diskussion leitete Stefan Bichler (EKR-Referent für Öffentlichkeitsarbeit).
Seitens der Stiftung Kirchenburgen berichtete Ruth István über die zunehmende Bedeutung, die Nutzungserweiterungen für die Zukunftsperspektiven der Gebäude während der jüngeren Vergangenheit erfahren haben. Der Umstand, dass die Kirchenburgen neben dem sakralen Raum auch über jede Menge profane Gebäudeteile verfügen, stellt zum Beispiel für touristische Aktivitäten eine große Chance dar. Doch auch Umnutzungen von Wehrtürmen oder Nebengebäuden für kulturelle Zwecke sind und bleiben eine attraktive Strategie. Eine Reihe spannender Projekte sind in den letzten paar Jahren entstanden. „Die Stiftung“, so István, „sieht es dabei nicht primär als ihre Aufgabe, solche Initiativen zu gründen, sondern die gebäudebezogene Basis zu ihrer Entfaltung zu gestalten“. Architektin Annemarie Rothe berichtete vor allem über gute Beispiele aus anderen Ländern. In Großbritannien und den Niederlanden gibt es etwa in diesem Feld bereits reichhaltige Erfahrungswerte. Katharina Stefani und Thomas Schneider schilderten den Zugang der Heimatortsgemeinschaften zu dem heiklen Thema. Während in Holzmengen die Aktivitäten des CEPIT-Vereines (Centrul European pentru Întâlnirea Tineretului) von der HOG nicht nur geduldet sondern auch seit längerem aktiv mitgetragen werden, stehen die Initiativen in Abtsdorf/M. noch im Anfangsstadium. Erstmalig wird dort seitens einer HOG in Erwägung gezogen, durch einen Nutzungsvertrag mit dem Kirchenbezirk wieder direkt und offiziell Verantwortung zu übernehmen.
Starke Beteiligung aus den Reihen der Diaspora
Ein Ziel des KirchenburgenGespräches war es, aus der Pandemienot eine Tugend machend, besonders viele mit Siebenbürgen verbundene Menschen aus dem Ausland anzusprechen. Dankenswerter Weise haben Ilse Welther (Vorsitzende des HOG-Bundesverbandes) und Rainer Lehni (Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland) zur Bewerbung des Events beigetragen, sodass der virtuelle Warteraum der mit hundert Teilnehmern beschränkten Zoom-Sitzung durchgehend voll war. Die exorbitant zahlreiche Beteiligung am KirchenburgenGespräch vom 11. März zeigt auch, dass viele Menschen trotz einem Jahr Pandemie und Notprogramm der Onlineveranstaltungen noch nicht üderdrüssig sind. Vielmehr wird der positive Zusatzeffekt des Überwindens geografischer Distanzen genutzt. Moderator Stefan Bichler möchte dieses Format auch mittel- und langfristig einsetzen: „Auch nach der Pandemie sollten wir die Chance, die uns Onlineveranstaltungen in der Kommunikation mit den vielen Menschen im Ausland, denen das Schicksal der Kirchenburgenlandschaft am Herzen liegt, unbedingt nutzen und einen Teil der KirchenburgenGespräche digital durchführen.“
Die Organisatoren der Stiftung Kirchenburgen haben für die nächste Veranstaltung dieser Art angekündigt, die Teilnehmerbeschränkung kräftig zu erhöhen, damit auch jeder Interessierte zuhören und sich mit Diskussionsbeiträgen beteiligen kann.