Sommerschule widmete sich der Kirchenburg in Galt

Studenten der Berner Fachhochschule (FH) haben im Rahmen einer Sommerschule zum Thema „Wie weiter mit den Kirchenburgen?“ knapp zwei Wochen in Rumänien, insbesondere in Hamruden/Homorod, verbracht und sich in dieser Zeit intensiv der Kirchenburg in Galt/Ungra gewidmet. „Wir haben uns in dieser Lehrveranstaltung insbesondere mit architektonischen Fragestellungen beschäftigt“, erklärte Dipl. Ing. Architekt Ulrich Baierlipp, Professor für Architektur und Konstruktion an der FH.

Kirchenburg Galt
Gelegen im Repser Ländchen, an der Mündung des Hamrudener Bachs in den Alt, wurde in Galt im 13. Jahrhundert auf dem Bergrücken über dem Dorf eine romanische Basilika errichtet, von der das Hauptschiff mit Resten alter romanischer Zwillingsfenster sowie das Westportal erhalten sind. Die beiden Seitenschiffe wurden beim Tatareneinfall 1658 zerstört. Das Strohdach der notdürftig hergerichteten Kirche wurde erst 1702 durch ein Schindeldach ersetzt. Einhundert Jahre später zerstörten 1802 und 1829 zwei Erdbeben den Glockenturm, der schließlich 1843 abgetragen wurde. Die Ringmauer erscheint heterogen: im Osten, zwischen dem Torturm und dem fünfeckigen Turm, ist ein älterer Abschnitt, möglicherweise aus dem 13. Jahrhundert, erhalten, während die drei Seiten im Süden, Westen und Norden im 15. bis 17. Jahrhundert errichtet wurden. In neuerer Zeit wurde anstelle der südlichen Ringmauer ein Schulgebäude erbaut.

Im vergangenen Jahr hatte die Stiftung Kirchenburgen einen Zustandsbericht zur Kirchenburg erstellt, der notwendige Arbeiten auflistet und allein die Dacharbeiten mit 12.000 bis 16.000 Euro veranschlagt. Dabei sollen für die Erneuerung des Daches möglichst gebrauchte Ziegel aus zweiter Hand sowie neue, aber traditionell hergestellte Dachziegel verwendet werden. „Unter Umständen können wir alte Dachziegel aus dem Nachbardorf Dăișoara bekommen“, erzählt Andrea Krempels. Die gebürtige Galterin hat die Studentengruppe und die beiden Professoren Ulrich Baierlipp und Andreas Müller als Mittlerin zur lokalen Bevölkerung begleitet.


Müller leitet den Kompetenzbereich Holzbau, Bauen im Bestand und Denkmalpflege sowie das Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur der Berner Fachhochschule, auf das Marianne Hallmen aufmerksam geworden ist. Die gebürtige Stolzenburgerin lebt in Zürich, gründete 2014 den Verein der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz und setzt sich für den Erhalt der siebenbürgischen Kirchenburgen ein. Zusammen mit der Stiftung Kirchenburgen, als dritten Partner, gelang ihr schließlich die Durchführung der Sommerschule „Wie weiter mit den Kirchenburgen?“ vom 26. August bis 6. September. „Dabei ging es um Konzeptentwicklung und der Schwerpunkt war Architektur. Mit akademischem Know-how sollten Projekte entwickelt werden, für deren Umsetzung allerdings andere zuständig sind“, erklärte Ruth István von der Stiftung Kirchenburgen.

Zunächst haben die drei Bauingenieurs- und sieben Architekturstudenten Bauaufnahmen und eine Zustandserfassung der Kirchenburg in Galt angefertigt. „Am Anfang waren wir schon ein bisschen entsetzt über den schlechten Zustand“, erzählt Müller, „doch je länger wir jetzt damit arbeiten, sehen wir, da ist etwas draus zu machen.“ Genutzt haben die Studenten eine ganz neue digitale Bauaufnahmemethode: Mittels einer Drohne, der Fotogrammatrie sowie 3D-Scans wurde ein räumliches Modell als Planungsgrundlage generiert, welches den Istzustand kartiert. „Wenn wir die Laserscans noch einlesen, dann ist das Modell auf den Millimeter genau, dann sieht man jeden Ziegel, dort wo etwas fehlt und auch größere Risse ab zwei Zentimeter“, erklärt einer der Studenten.

Vor einer zweitägigen Exkursion nach Bukarest hatten die Studenten die Bewohner von Galt zu einer kleinen Bürgerversammlung am Tag nach ihrer Rückkehr eingeladen, zu der schließlich rund 20 Galter kamen. Ziel war es, die Bedürfnisse der Bevölkerungsgruppen – Sachsen, Rumänen, Roma und Ungarn – sowie der verschiedenen Altersgruppen kennenzulernen, um auch auf dieser Grundlage Projekte für die zukünftige Nutzung zu entwickeln. „Wir versuchen schon das gesellschaftliche Umfeld anzubinden und darauf zu reagieren, aber wir werden natürlich nicht die innerkommunalen Probleme lösen, das wollen wir auch nicht. Aber wenn wir sehen, dass es vier verschiedene Bevölkerungsgruppen gibt und Bedarf für Begegnungsmöglichkeiten vorhanden ist, dann ist das ganz klar einer der Schwerpunkte der Lösungsansätze“, stellt Müller heraus.

Doch Müller klärt auch auf, dass es neben den Konzepten wichtige Fragestellungen gibt, die beantwortet werden müssen. „Wie kann man denkmalgerecht diese Kirchenburgen instandsetzen oder erhalten? Da gibt es sehr kontroverse Diskussionen, das haben wir schon die letzten Tage erlebt. Der eine sagt, das Ausbetonieren ist ein No-Go, der andere argumentiert aber, dass es doch eine Methode ist, die überall angewendet wird, vor allem aus Gründen der Erdbebensicherheit. Dann redet man von Materialisierung, insbesondere am Beispiel der Schwarzen Kirche in Kronstadt. Diese Lösungsansätze zu diskutieren, eine Plattform zu haben, auch etwas gemeinsam zu entwickeln, welches Material ist an welcher Stelle das richtige, das wäre für uns eine spannende Aufgabe.“

Entwickelt haben die Studentengruppen günstige, realistische und utopische Projektideen, die sie zunächst ihren beiden Professoren sowie Andrea Krempels, Marianne Hallmen und Ruth István in Hamruden vorgestellt haben. Bei Familie Marton im Pfarrhof hatte die Gruppe ihr Übernachtungs- und Arbeitslager aufgeschlagen. Die drei Organisatorinnen sowie die beiden Professoren entschieden sich für drei Projektideen, die noch weiter ausgearbeitet werden sollten, um sie schließlich auch dem stellvertretenden Bürgermeister von Galt vorzustellen.
Flavia Schneider hatte mit ihrer Gruppe die Idee, das Ensemble in ein Bildungs- und Seminarzentrum zu verwandeln, welches die Kirche als Bibliothek und Leseraum nutzt. Dazu sollte die Wehrmauer abgetragen bzw. Durchgänge geschaffen werden, um das Gelände zugänglicher zu machen und an den geöffneten Stellen verglaste Räume in Schottenbauweise zu errichten. Der Gedanke Bausubstanz, insbesondere die einsturzgefährdete Mauer abzutragen, kam in mehreren Projektideen vor. Dabei zeigt sich hier exemplarisch der Zusammenstoß zwischen den frischen Ideen junger und unvoreingenommener Studenten, die das erste Mal in Siebenbürgen sind, und den hiesigen konservativen Ansichten, die jede Veränderung an den Kirchenburgen ablehnen, hält Andrea Krempels fest.

Die Idee, die Kirche komplett abzutragen und an ihrer Stelle ein Freibad im Grundriss der Kirche zu errichten, wie es eine Gruppe vorschlug, hielt Ulrich Baierlipp allerdings für „zynisch“, wenn „man den Hintergrund hier kennt, was für ein wichtiges kulturelles Erbe so eine Kirche ist.“ Doch utopische Ideen zu entwickeln, die sich vielleicht erst in einigen Jahrzehnten umsetzen lassen, war schließlich eine der gestellten Aufgaben. Ruth István freute sich unterdessen über die „unvoreingenommenen und deshalb oft pragmatischen Blicke auf die Kirchenburgen“. Sie fragt: „Warum sollen derartige Ansätze nicht diskutiert werden?“, stellt aber auch heraus, dass die Studenten nur vor Ort den Gesamtkontext erleben und ihre Entwürfe entsprechend anpassen können. „Die Studenten waren auch hier, um zu sehen, was möglich ist, wenn Rathaus, Bevölkerung und Sachsen gut zusammenarbeiten“, fügte Andrea Krempels hinzu.
Die Idee von Flavia Schneider haben andere Studenten schließlich weiterentwickelt, ohne das Abtragen der Mauer, aber mit ihrer elementaren Idee, die Kirchenburg nach außen durch neu geschaffene Räume zu erweitern. Sie schlagen vor, die einsturzgefährdete Ringmauer durch eine äußere Bebauung zu stützen. In den schon von Flavia Schneider angedachten Räumen könnten kleine Handwerkstätten ihren Platz finden, um die Kirchenburg auf diese Weise zur lokalen Bevölkerung zu öffnen, aber auch Touristen anzuziehen. Auch das Bürgermeisteramt wünscht sich einen touristisch attraktiveren Ort und schlug sogar ein Galter Treffen vor, erzählt Andrea Krempels. „Von Seiten des Rathauses wäre Unterstützung da.“

Text: Michael Mundt für ADZ (22.09.2018)
Bilder: Stiftung Kirchenburgen